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Samstag, 24.05.2014, 18.00 Uhr !
Großer Minoritensaal, Graz

           
Im Rahmen von: tage neuer musik graz
… von zeit zu zeit …

ensemble]h[iatus


Tiziana BertonciniVioline
Martine AltenburgerViolonccello
Thomas LehnKlavier, Analogsynthesizer
Lê Quan NinhPerkussion

Programm
• Earle Brown: Four Systems (1954), für verschiendene Instrumente
• Earle Brown: Folio (1952/1953), für verschiendene Instrumente (Auswahl)
• Christian Wolff: Or 4 people (1994), für beliebige Instrumente
sowie Improvisationen

Earle Brown zählt gemeinsam mit Cage, Feldman, Tudor und Wolff zu einer der führenden Figuren der "New York School". Ausgangspunkt für das Komponieren war ihm die Auseinandersetzung mit den einzelnen Dimensionen von Tönen wie auch mit der Unendlichkeit an gegebenen Möglichkeiten, den unendlich oft teilbaren Klangkontinua, denen der Komponist erst Strukturen abgewinnt, sie hörbar macht. "Multiple characteristic realization" ist so auch eine entscheidende Formulierung in Browns Vorwort zu "Folio". Die einzelnen Blätter des Stückes tragen Titel nach Monatsnamen und Jahreszahlen (October 1952 - June 1953), die gleichzeitig auch auf ihr Entstehungsdatum hinweisen. "Nachdem ich 1951 und 1952 drei sehr präzise notierte und geregelte, serielle Zwölfton'-Stücke geschrieben hatte, begann ich im Herbst 1952 mit einer Folge von Stücken, die ich 'Experimente in Notation und Aufführungsprozess' nannte. Da ich Jazz gespielt und die Spontaneität und den Gemeinschaftscharakter dieser Musik bewundert habe - gerade das Gegenteil der strikten,seriellen' Denkweise - wollte ich eine stärker flexible, transformierbare und in direkter Beziehung zum Konzept sowie zum Kompositions-, Aufführungs- und Hörprozess stehende neue,klassische' Musik finden. Die Folge von Werken, die sich aus dieser Suche entwickelte - sieben oder acht einseitige Partituren - wurde als 'Folio' (1952-53) bzw. 'Four Systems' (1954) veröffentlicht; letztere wurde als Geburtstagsgeschenk für David Tudor im Jänner 1954 geschrieben und in die Publikation von 'Folio' eingegliedert. Es handelt sich dabei um eine graphische Notation in offener Form für jede Anzahl jeder Art von Instrument. Die Partitur besteht aus vier Abschnitten, in denen Klangereignisse graphisch in ihrer Relation hoch-tief, lang-kurz, laut-leise und in verschiedenen rhythmischen Gruppierungen dargestellt sind. Mit diesen 'graphischen' Bedingungen sollte man verantwortungsvoll umgehen und sie dementsprechend aufführen. Eine sehr wichtige Dimension betrifft auch den spontanen Klang des Werks, der auf von den Ausführenden gemeinsam und individuell getroffenen Entscheidungen beruht. Jedes Ergebnis wird unterschiedlich sein und ist sehr wohl als Komposition der beteiligten Musiker zu bezeichnen, die auf den graphischen Auswirkungen von 'Four Systems' beruht." (Earle Brown, August 1994).
Auch Christian Wolffs Musik - er war selbst nicht nur als Komponist, sondern ebenso als Interpret und Improvisator aktiv (u. a. mit Steve Lacey, Keith Rowe, William Winant, Kui Dong, Larry Polansky und der legendären Formation AMM) - ist durch Freiheiten bzw. Nichtdeterminiertheit in der Komposition, durch Selbstbestimmtheit der Performer und Variabilitäten in der Interpretation geprägt. Dies machte neue Notationsformen notwendig ("open scores"), die wiederum eine radikale Interpretation der Performenden einfordern. Eng verknüpft mit diesem kompositorischen Ansatz ist so auch die Frage, ob die Komposition (zumal sie ja durch jede Aufführung erneut entsteht) eigentlich nur, quasi der Aktualität in der Umsetzung, der Zeit enthoben, für sich oder aber gerade erst durch die Performances zu ihrer Existenz gelangt.
Weitergeführt leitet dies auch über zu angrenzenden Fragestellungen im "weiten Land" der Improvisation, die da ebenso zwischen ihrer Existenz nur zu einem ganz spezifischen Zeitpunkt, nämlich dem ihrer konkreten Realisation (dies auch im Sinne des oft geäußerten Postulats des immerzu Neuen und Einmaligen) und einer Einbettung in bereits bestehende Konzepte, Fertigkeiten, Idiome … angesiedelt ist.
"open music" nimmt also das Thema "… von zeit zu zeit …" in vielerlei Hinsicht auf: Mit Kompositionsansätzen, die u. a. mit der Thematisierung von Eigenverantwortlichkeit der Interpreten und Demokratisierungsprozessen klar einen auch (gesellschafts-)politischen Anspruch (und damit aus heutiger Sicht gesprochen die längst verloren gegangene Utopie einer neuen Gesellschaft) in sich trugen, mit Komposition, die sich (erst) in der konkreten Realisation ereignet, mit Musik, die ausschließlich im Moment gedacht wird …
Mit dem ensemble]h[iatus, mit Tiziana Bertoncini, Martine Altenburger, Thomas Lehn und Lé Quan Ninh - allesamt seit vielen Jahren als Improvisatoren international renommiert und auch als Interpreten zeitgenössischer Musik höchst erfahren - sind Musiker (in dieser Konstellation übrigens in Graz erstmals) zu Gast, die prädestiniert für eine exzellente im Sinne der Sache und der Komponisten stehende Umsetzung sind und die Wolff und Brown auch in ihren Improvisationen in der Gegenwart weiterzudenken vermögen.
Frei nach John Cage (er sagte dies übrigens über die Musik von Christian Wolff) könnte man sagen: "One of the most useful things that could happen for the musical life now is a concert that would let people experience this."


Tiziana Bertoncini Martine Altenburger Thomas Lehn Lê Quan Ninh
(Photo von Martine Altenburger Copyright Ensemble Hiatus / Persistance du Lyrisme)
 
Links
ensemble]h[iatus www.ensemble-hiatus.eu
Martine Altenburger www.martine-altenburger.fr
Thomas Lehn www.thomaslehn.com
Lê Quan Ninh www.lequanninh.net
tage neuer musik graz www.tnmg.at

Eintritt: € 12.- / € 7.- (ermäßigt) / € 5.- (für MusikstudentInnen an der Abendkassa)