vorhergehendes Konzert nächstes Konzert

Freitag, 20.05.2005, 20.00 Uhr
Mariahilferkirche, Graz

    Plakat

Schattenklänge

Eine Veranstaltung in Kooperation mit Mariahilf-Kultur und dem Kulturzentrum bei den Minoriten

Petra Stump (AU)Klarinetten
Heinz-Peter Linshalm (AU)Klarinetten

Programm
  Helmut LachenmannDal niente (1970) für Klarinette solo
  Salvatore SciarrinoLet me die before I wake (1982) für Klarinette solo
  Bertl MütterNushu (2005) für zwei Bassklarinetten (UA)
  Daniel De La Cuesta Chehaibar Fragmente (2005) für zwei Bassklarinetten (UA)
  Beat FurrerAPOKLISIS (2004) für zwei Bassklarinetten

"Sie entlocken ihren Instrumenten die ungewöhnlichsten Klänge. Das Spektrum reicht dabei von sphärischen Arabesken bis zu zornigem Gekreische …".
Seit mehreren Jahren bereichern Petra Stump und Heinz-Peter Linshalm als Klarinettenduo und auch solistisch mit großem Erfolg und vielfach bepreist die Neue Musik-Szene. Eine Reihe von internationalen Musikschaffenden haben schon für die zwei Musiker neue Stücke komponiert, soeben ist auch ihr Doppelalbum "born to be off-road" bei ein klang - records erschienen. Für "open music" haben die knapp Dreißigjährigen das Programm "Schattenklänge" konzipiert: Beat Furrers jüngstes Werk für zwei Bassklarinetten, "Apoklisis", spielt mit kleinsten Interferenzen und lässt ein imaginäres Unisono aus den höchsten Regionen in die tiefsten hinabstürzen. Helmut Lachenmann geht in "Dal niente" einmal mehr dem Wesen des Klingens nach, Salvatore Sciarrinos "Let me die before I wake" spinnt eine Girlande zur Ewigkeit an der Schwelle zur Nacht … Weiters zu erleben: zwei Uraufführungen von Bertl Mütter - er setzt mit "nushu" einer vom Aussterben bedrohten gleichnamige chinesische Frauenschrift ein Denkmal -, und Daniel de la Cuesta, dessen "Fragmente" von Georg Trakls Fragmenten inspiriert wurden. "Schattenklänge" der besonderen Art.

Helmut Lachenmann: Dal niente
Helmut Lachenmann "nimmt" nicht Geräusche und wendet sie als aufregende Klangreize an, er nimmt vielmehr das Wesen des Klingens ernst, nimmt es "wörtlich", nimmt den Klang auseinander, schaut ihn mit dem Gehör an und setzt ihn wieder zusammen; dieses mit der Aufmerksamkeit frühkindlichen Spiels und wissenschaftlicher Anamnese gleichermaßen. Das gleichzeitig verwunderte und sezierende Anschauen - das Staunen und das Einschneiden, sowie das Zurückformen der klanglichen Erscheinungen auf ihre Existenz aus Materie - führt bei Lachenmann zu einer - nur bei ihm in dieser Form ausgeprägten - instrumentalen musique concrète. Zu einer Musik der konkreten Klänge, aber mit Instrumenten. Diese liefern die Konkretheit. Es ist also unsere Geschichte, die hier als konkretes Objekt Klang abgibt. Das klassisch gewordene Instrumentarium unserer in die Gegenwart verlängerten Musikgeschichte, die durch Lachenmanns Brechungsarbeit eine der wenigen wirklichen Legitimationen erhält, heute noch derart ungebrochen anwesend sein zu können ... (W. Rihm)

Salvatore Sciarrino: Let me die before I wake
Stellen Sie sich vor, an den Ufern eines Flusses zu sitzen. Nicht ein realer Fluss, sondern der Fluss der Musik. Stellen Sie sich vor, an der Rampe eines Konzertes zu sitzen. Nicht ein reales Konzert, sondern eines aus Wasser und Wind. Es gibt Klänge, in die man mit Vergnügen eintaucht. Es gibt aber auch etwas, ohne das kein Klangvergnügen Sinn macht: das ist die Intensität der Stille. Die Spannung ist der Gedanke des Hörers, der vom Spieler wahrnehmbar gemacht wird. (S. Sciarrino)

Bertl Mütter

nushu
PrologResonare
Ivirtuos - aber wozu eigentlich? (wem nützt's?)
IIStillstand, Ausrasten
IIIRücken an Rücken (ki-szip)
IVRuh¹ Ausrasten
VDas Geoile (Dank an Harry Rowohlt)
Epilog12 Versuche

für zwei Bassklarinetten / von Bertl Mütter (*1965)
komponiert von 9. bis 12. Jänner 2005 im Stift St. Lambrecht
für das Duo Stump - Linshalm
Erstaufnahme: Wien, 19. Jänner 2005 / Dauer: etwa vierundzwanzig Minuten
nushu ist Petra Stump und Heinz-Peter Linshalm herzlich zugeeignet

Bertl Mütter über nushu: Anfang Oktober 2004 kam die Meldung vom Aussterben der chinesischen Frauenschrift nushu. Auf einmal ging mir etwas ab, von dessen Existenz ich zuvor noch gar nicht gewusst hatte. Dass es sich trotzdem um keinen Phantomschmerz handelt, finde ich bemerkenswert. Der Nachhall ist es, der auf uns kommt, ohne dass wir die Erreger dieser Schwingung kennen gelernt haben.
Alles im Kosmos steuert seinem Vergehen zu, nicht nur Andamanische Ureinwohner oder heimische Eulenarten; in der historischen naturkundlichen Sammlung des Stifts St. Lambrecht schaut mich der vorletzte in der Steiermark erlegte Luchs (1841) glasäugig aus seiner staubdichten Vitrine an, und wie ich an der Hauptschule vorbei spaziere, sehe ich durchs Fenster einen Klassenraum voller elektrischer Kugelkopfschreibmaschinen.
Astronomen betrachten Galaxien, die es längst nicht mehr gibt. Könnte das ein Trost sein?

Zwei Zitate, zur klärenden Verwirrung:
Ich glaube, die Zeit steht ganz still und ich bewege mich in ihr, manchmal langsam und manchmal mit rasender Schnelligkeit.
Marlen Haushofer, Die Wand (1968)
Von einem gewissen Punkt gibt es keine Rückkehr mehr. Dieser Punkt ist zu erreichen.
Franz Kafka

Nachbemerkung:
Schriftstücke in nushu sind äußerst selten, da sie traditionell mit den Toten verbrannt oder begraben werden wurden.

Daniel De La Cuesta Chehaibar über "Fragmente" :
Das Werk von Georg Trakl hat mich immer sehr angezogen. Seine Poesie hat mich bis jetzt zu vier Vocalwerken inspiriert: "Geistliche Dämmerung" für Sopran und Orchester, "Rondel" für Alt und Klavier, "Gesang einer gefangenen Amsel" für Bass, Bassklarinette und Harfe, und "Sonniger Nachmittag" für Tenor und Ensemble. Es existieren verschiedene Fragmente seiner Poesie, die sich nicht, wegen ihrer Knappkeit, für ein Vocalwerk eignen, aber die sehr gut als Inspiration für ein reines Instrumentalwerk dienen können. Aus einigen dieser Fragmente habe ich "Fragmente" für zwei Bassklarinetten geschrieben.

Beat Furrer
wurde 1954 in Schaffhausen geboren und erhielt an der dortigen Musikschule seine erste musikalische Ausbildung (Klavier). Nach seiner Übersiedlung nach Wien im Jahre 1975 studierte er an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Dirigieren bei Otmar Suitner sowie Komposition bei Roman Haubenstock-Ramati. Im Jahr 1985 gründete er das Klangforum Wien. Im Auftrag der Wiener Staatsoper schrieb er seine erste Oper "Die Blinden" (ausgehend von Maurice Maeterlincks gleichnamigem Stück und Platons "Höhlengleichnis"), die bei Wien Modern 1989 im Odeon erstmals aufgeführt wurde. Unter Claudio Abbado gelangte sein Werk "Tace de la Chaleur" für Flöte und Orchester 1991 im Wiener Musikverein zu Uraufführung. Seit Herbst 1991 ist Furrer Ordentlicher Professor für Komposition an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Graz. Seine Oper "Narcissus" wurde im Oktober 1994 im Rahmen des "steirischen herbstes" an der Grazer Oper uraufgeführt. Im Sommer 1996 Uraufführung des Konzertes für zwei Klaviere und Orchester "nuun" bei den Salzburger Festspielen. "Composer in residence" bei den Musikfestwochen Luzern; dort Uraufführung der Komposition "Stimmen" für Chor und vier Schlagzeuger. 1998 Uraufführung von "spur" für Klavier und Streichquartett in Wien. Uraufführung von "still" für Ensemble mit Klavier in Zürich. 1999 Uraufführung des Hörtheaters "Stimme allein" an den Bühnen der Stadt Bonn. Uraufführung des Werkes "Quartett" für vier Schlagzeuger im Opernhaus Düsseldorf. 2001 konzertante Uraufführung der Oper "BEGEHREN" beim steirischen herbst in Graz. Uraufführung des Orchesterstückes "Orpheus' Bücher" in Donaueschingen. 2003 szenische Uraufführung der Oper "BEGEHREN" in Graz.

Petra Stump, Klarinetten
1975 in Grabs/CH geboren, begann das Klarinettenstudium 1989 bei Georg Vinciguerra am Landeskonservatorium Feldkirch/Vlbg. Sie absolvierte ihr Konzertfachstudium mit Auszeichnung an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien bei Alfred Prinz und Johann Hindler. Von 1999 - 2002 studierte sie in der Meisterklasse bei Ernesto Molinari an der Hochschule für Theater und Musik in Biel-Bern/Ch. Nach einem zweijährigen Auslandsstudium bei Harry Sparnaay am Conservatorium van Amsterdam/Nl erhielt sie 1999 ihr Diplom für Bassklarinette mit Auszeichnung. Meisterkurse bei Alois Brandhofer, Suzanne Stephens, Karlheinz Stockhausen, Ernesto Molinari und Christian Leitherer (Chalumeau & historische Klarinette) runden ihre bisherige Ausbildung ab. 2001 erhielt sie den 1. Preis beim Chain Concours/Ch, Interpretationswettbewerb für zeitgenössische Musik. Im selben Jahr wurde sie zur vierten Académie de musique du XXème siècle in Paris mit dem Ensemble InterContemporaine unter Jonathan Nott und Myung-Whun Chung eingeladen (nach europaweitem Auswahlverfahren). Schon jetzt blickt sie auf zahlreiche solistische und kammermusikalische Auftritte in nahezu ganz Europa zurück und wurde zu Festivals wie den Salzburger Festspielen, Wien Modern, Hörgänge im Wiener Konzerthaus, Wiener Festwochen, Musikprotokoll im Rahmen des Steirischen Herbstes, Festwochen Gmunden, Avantgarde Schwaz, Biennale Bern, Festival für Neue Musik Alicante, Nuovi Spazi Musicali Rom, Huddersfield Festival, Montmatre en Europe Paris und dem Musikfestival Davos eingeladen. Orchester und Ensembles wie das Klangforum Wien, Radiosymphonieorchester Wien, Neue Oper Wien, Volksoper Wien, Bühnenorchester der Staatsoper Wien, Ensemble Online, Ensemble Artresonanz Graz, die Komponistengruppe Gegenklang und TICOM -Tiroler Ensemble für zeitgenössische Musik zählen sie zu ihren regelmäßigen Mitwirkenden.

Heinz-Peter Linshalm, Klarinetten
Geboren 1975 in Eisenstadt. Erstes Klarinettenstudium am Joseph-Haydn-Konservatorium in Eisenstadt bei Ewald Ivanschitz, danach Konzertfachstudium an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien bei Johann Hindler. 2002 Diplom mit Auszeichnung; danach Bassklarinettenstudium in der Solistenklasse bei Ernesto Molinari an der Hochschule für Musik und Theater in Bern. Meisterkurse bei Ernesto Molinari (zeitgenössische Musik), Howard Klug und Christian Leitherer (Chalumeau und historische Klarinette). Orchester- & Ensembleerfahrung: Wiener Philharmoniker, Orchester der Staatsoper Wien, Orchester der Volksoper Wien, Radiosinfonieorchester Wien, Corso Wien - Ensemble der Wiener Philharmoniker, Österreich-Ungarische Haydnphilharmonie, Klangforum Wien, Neue Oper Wien, Musikwerkstatt Wien, The Wild Bunch, Ensemble Online, Ticom - Tiroler Ensmble Für Neue Musik, Johann Strauß Capelle, Vienna Clarinet Connection. Solistische und kammermusikalische Auftritte: Wien Modern, Wiener Festwochen, Klangbogen Wien, Salzburger Festspiele, Carinthischer Sommer, Rheingau Festival, Musik Biennale Berlin, Lucerne Festival, Music Biennale Zagreb, Musichost Festival Odense, Humanities Festival Chicago, Musikfestival Davos.

Links
Petra Stump \ Heinz-Peter Linshalm www.stump-linshalm.com
Bertl Mütter www.muetter.at
ein klang - records www.einklangrecords.com